Stadt aus Plastik: Das Gastrozelt
Während der Coronazeit haben sich nicht nur Viren epidemisch verbreitet, sondern auch allerlei neuartige Elemente den globalen Stadtraum bevölkert – vom Pop-up-Radweg bis zum Corona-Testzentrum. Zwei Bilder bleiben in Erinnerung: Die Leere der Innenstädte im Lockdown und ihre provisorische Rückeroberung durch die Gastronomie. Mit kreativem Eifer und improvisiertem Mobiliar entstanden Zeltkonstruktionen und Pavillons, die schlagartig zum Inventar der Städte gehörten. Das Gastrozelt wurde so zum Sinnbild der Pandemie – ein Schutzraum für das unter Hygienemaßnahmen geschrumpfte öffentliche Leben. Weltweit ermöglichten Kommunen seinen Siegeszug, indem sie die ansonsten strenge Regulierung des öffentlichen Raums aussetzten.
Ein prominentes Beispiel war New York City, wo das Programm Open Restaurants bereits im Juni 2020 Gehwege und Straßen kostenlos für die Außengastronomie freigab. Das Ergebnis war ein Boom der sogenannten restaurant sheds – ein Phänomen, das nicht unumstritten blieb. Schon ein Jahr später warnte ein Gastbeitrag in der New York Times vor dem Verharren im Provisorium „bevor es zu spät sei“.
In Frankfurt hielt man länger an den Sonderregelungen fest, die erst im März 2023 endeten. Laut dem Merkblatt Außengastronomie sind seither „zeltartige Aufbauten, Pavillons und Seitenteile an Sonnenschirmen und an Markisen“ verboten. Ein Rundgang durch die Stadt zeigt jedoch: Viele dieser Konstruktionen haben nicht nur die Pandemie überlebt, sondern trotzen auch dem „Merkblatt Außengastronomie“. Das Gastrozelt ist insofern mehr als eine Behelfskonstruktion – es symbolisiert auch die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums. Mit ihrer sperrigen Präsenz verdrängen diese Aufbauten andere Nutzungen und verschließen sich zugleich dem Außenraum. Obgleich sie meist nur für wenige Stunden am Abend genutzt werden, stehen sie rund um die Uhr auf Straßen und Plätzen herum.
Der Kölner Fotograf Sven Kirschenbauer hat für uns die Situation im vorletzten Pandemiejahr dokumentiert. Seine Bildstrecke führt von der Konstablerwache und anderen Orten der Innenstadt über den Oeder Weg und den Merianplatz bis zur oberen Berger Straße – ein Zeugnis der Corona-Stadt, die in der ein oder anderen Form bis heute anhält.