Artikel Elemente der antiurbanen Stadt

Spielspaß ohne Ende: Die Spielhalle

Text: Carlos Becker, Sandra DoellerFotos: Benjamin Semmler

Spielhallen und Wettbüros werden in Frankfurt seit Jahren diskutiert. Dabei geht es meist um die negativen Begleiterscheinungen, die diese Orte mit sich bringen: Anwohner:innen beklagen eine sinkende Lebensqualität durch das von den Spielstätten angezogene Klientel und die Stadt stellt bei Kontrollen immer wieder Verstöße wie illegales Glücksspiel und Steuerhinterziehung fest. Auch die Stadtforschung hat die Spielhallen im Blick, soll doch die Anzahl von Wettbüros indexikalisch die Qualität eines Stadtviertels bewertbar machen. Je mehr Spielhallen, desto niedriger der soziale Status und die städtebauliche Qualität. Spielhallen stehen für Suchtproblematiken, unerfüllte Glücksversprechen sozial schlechter gestellter Schichten und dubiose Geschäftspraktiken.

Adalbertstraße, Frankfurt am Main

Gab es 2006 noch 78 Hallen in Frankfurt, stiegt die Anzahl bis Ende 2017 auf 164. Die Stadt reagierte und plante analog zu anderen Kommunen eine Reduktion auf höchsten 85 Spielstätten. Helfen sollte dabei in Passus des Hessischen Spielhallengesetzes, nach dem zwischen zwei Spielhallen 300 Meter Luftlinie liegen müssen. Außerdem regelt das Gesetz eine sechsstündige Sperrzeit von 4 Uhr nachts bis 10 Uhr morgens, vor allem als Schutz für Jugendliche auf dem Schulweg. Allerdings dürfen bereits bestehende Betriebe laut eines Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne Weiteres wegen eines fehlenden Abstands geschlossen werden. Die städtebauliche Realität gibt davon vielerorts Zeugnis, zeigen sich doch sowohl im innerstädtischen Bereich als auch in Randbezirken wie Rödelheim oder Heddernheim ausgewählte Straßen, in denen sich Spielhallen gehäuft angesiedelt haben. Nach einer Aktualisierung des Hessischen Spielhallengesetzes und einem Ringen zwischen klagenden Betreibern, Politik und Bürger:innen-Initiativen waren im November 2023 noch 105 Spielbetriebe registriert.[1] Zugleich haben auch gerichtliche Entscheidungen kommunale Versuche der Eindämmung von Wettbüros erschwert, weil es sich dabei um legale Gewerbe handelt.[2] Zudem handelt es sich nicht nur um ein legales, sondern auch ein enorm profitables Geschäftsfeld. 2021 etwa betrug der deutschlandweite Umsatz von Sportwetten ganze 18,3 Mrd. Euro.

[1] Kaiserdamm, Berlin [2] Germaniaplatz, Frankfurt am Main
[1] Kaiserdamm, Berlin [2] Germaniaplatz, Frankfurt am Main

Zeigt die zunehmende Verbreitung von Spielhallen somit (stadt-)soziologisch ein Problemfeld an, dass auf wachsende soziale Ungleichheit und glückspielgetriebene Versuche der Armutsüberwindung hinweist, so ist damit doch zugleich wenig über ihren städtebaulichen Einfluss gesagt. Mit Blick auf eben jene Wirkungen von Spielhallen auf den öffentlichen Raum sind insbesondere die folgenden Absätze des Hessischen Spielhallengesetzes interessant, die die „Anforderungen an die Errichtung, Gestaltung und Ausübung des Betriebs von Spielhallen“ (§3) betreffen:

§3 Abs. 4: Spielhallen sind von ihrem äußeren Erscheinungsbild so zu gestalten, dass ein Einblick in das Innere der Spielhalle für Passantinnen und Passanten von außen nicht möglich ist. […]

§3 Abs. 5: Von der äußeren Gestaltung der Spielhalle darf keine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele ausgehen. Durch eine besonders auffällige Gestaltung darf kein zusätzlicher Anreiz für den Spielbetrieb geschaffen werden. Werbung für das Spiel in Spielhallen mittels Werbeanlagen […], die nicht mit einer Spielhalle verbunden sind, ist unzulässig.

[1] Kaiserdamm, Berlin [2] Kreisstraße, Selm
[1] Kaiserdamm, Berlin [2] Kreisstraße, Selm

Was aus Sicht der Suchtprävention und des Jugendschutzes sinnvoll erscheint, hat zugleich städtebauliche Konsequenzen. Spielhallen MÜSSEN ihre Fenster verkleben, die Einsicht ins Innere der Erdgeschosslagen verunmöglichen. Das Problem: Spielhallen haben sich an vielen belebten Straßenzügen angesiedelt, die sich durch Ladengeschäfte mit großen Fensterflächen auszeichnen – ursprünglich gedacht zur Nutzung durch Einzelhandel und Gastronomie, also Nutzungen, die durch attraktive Einblicke zum Schlendern und Verweilen einladen. Werden in diesen Lagen die Fenster mit Folien oder Milchglas-Imitaten abgedichtet, kehrt sich der Charakter dieser Straßenzüge in ihr Gegenteil. Es entstehen bisweilen leblose Transiträume mit Erdgeschossfassaden, die die Qualität von Lärmschutzwänden haben und jegliche Interaktion von privatem und öffentlichem Raum verhindern. Hinzu erzeugt ebenjene Verpflichtung zur Verschleierung ein ominöses Gefühl der Anrüchigkeit jener Räume, die auch den Charakter der davor liegenden Straßenabschnitte beeinflusst. Da Spielhallen zudem vielfach in ehemaligen Räumen des Einzelhandels angesiedelt sind, nimmt mit dem Verlust der städtebaulichen Qualität von Straßenzügen zugleich der Passant:innen-Verkehr in eben jenen Gebieten ab. Menschen huschen eher vorbei, als dass sie verweilen. Das Ergebnis ist eine städtebauliche Einöde, die sich letztlich nur verhindern ließe durch eine klare Gestaltungs- und Gewerbesatzung, die die Anzahl von Spielhallen nochmals deutlich reduziert, das Abstandsgebot zwischen Wettbüros konsequent durchsetzt oder Spielhallen aus städtischen Räumen gänzlich verbannt – zum Beispiel in umliegende Gewerbegebiete.

Berner Straße, Frankfurt am Main

[1] Frankfurter Rundschau, Der schwierige Kampf gegen Spielhallen, 9.11.2023.
[2] Siehe dazu die Übersicht von entsprechenden Gerichtsentscheiden unter: https://kommunalwiki.boell.de/index.php/Wettb%C3%BCrosteuer (abgerufen zuletzt am 23.9.2024).

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